»db«
Ausstellung im Ost- und Westflügel
des Hamburger Bahnhof
Der japanische Komponist und Bildende Künstler Ryoji Ikeda (geb. 1966, lebt in Paris) hat für den Hamburger Bahnhof eine Ausstellung konzipiert, die erstmals die beiden symmetrischen Räume im Obergeschoss des Ost- und Westflügels des Museums kompositorisch miteinander verbindet. Der Ausstellungstitel »db« (Abk. für Dezibel) greift diese Symmetrie auf und verweist gleichzeitig auf die komplementäre Beziehung der beiden Ausstellungsräume zueinander. Der von Ikeda entworfene weiße Raum bildet das Pendant zum schwarzen Raum und umgekehrt nicht nur physikalisch (Helligkeit, Farbe), sondern auch in der Konzeption und Wahrnehmung. Das Projekt versteht sich als Komposition, in der Zeit und Raum durch minimalsten Einsatz von Sound, Licht und visuellen Elementen geformt werden.
Die titelgebende Arbeit »db« (2012) wird jeweils zentral in den beiden Räumen gezeigt. Sie besteht zum einen aus einem schwarzen Lautsprecher mit besonders dichter Strahlweite, der eine reine Schallwelle in den weißen Raum abgibt, und zum anderen aus einem lichtstarken Scheinwerfer, der einen weißen Lichtstrahl in den schwarzen Raum projiziert. Der Sound ist auf eine stehende Sinuswelle reduziert, dem einfachsten musikalischen Baustein. Jede Bewegung des Besuchers verändert das Klangfeld im weißen Raum und macht es individuell erfahrbar. Der Lichtkegel im schwarzen Raum wird durch ein Loch in der Wand am Ende des Raums geführt und ist so unreflektiert als weißer Kreis wahrnehmbar. Er besteht aus reinem weißen Licht, das, vergleichbar mit dem weißen Rauschen, alle Farben des Spektrums vereint. Auch hier beeinflusst die Bewegung des Besuchers den Raum; sobald er den Lichtkegel durchquert, erhellt die Reflexion den dunkelen Raum.
Auch die beiden weiteren Werkkomplexe »the irreducible [nº1-10]« (2009) und »the transcendental [nº4]« (2012) verhalten sich komplementär zueinander. Den in höchster Reduktion schwarz auf schwarz gedruckten Zahlenfolgen mit über 1 Millionen Ziffern in der zehnteiligen Pigmentdruckserie »the irreducible« im weißen Raum stehen die zehn Videoprojektionen von »the transcendental« mit unendlichen Zahlenreihen in ultraschneller Bildfolge und daraus in Echtzeit generierten Sounds im schwarzen Raum gegenüber. Beide Arbeiten beziehen sich auf die Repräsentation von Unendlichkeit auf der Basis mathematischer Forschung. Der Besucher kann jeweils ein kleines Fragment dieser Unendlichkeit wie durch ein Fenster in der Wand sehen und/oder hören.
Ryoji Ikeda gehört seit Mitte der 1990er Jahre zu den international führenden Komponisten und Künstlern im Bereich neuester digitaler Technologien und deren integrierten Einsatz in visuellen und akustischen Präsentationen. Seine Arbeiten basieren auf Zeit-Raum-Kompositionen, in denen das musikalische und visuelle Material auf ein Minimum reduziert wird: Sinuswellen, Soundimpulse, Lichtpixel und Zahlendaten. Er untersucht Klang, Zeit und Raum auf der Grundlage von mathematischen Methoden und transformiert sie in seinen Konzerten und Installationen zu einem intensiven Erlebnis für das Publikum.
Die Ausstellung »db« von Ryoji Ikeda findet statt im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Musikwerke Bildender Künstler«, die seit 1999 von Freunde Guter Musik Berlin in Zusammenarbeit mit der Nationalgalerie und seit 2002 mit dem Festival MaerzMusik der Berliner Festspiele durchgeführt wird. Es ist die erste Einzelausstellung des Künstlers in Deutschland.